Traditionell ist Fastnacht die Zeit der Siedegebäcke, also der in heißem Fett ausgebackenen Backwerke. Das hängt mit der unmittelbar bevorstehenden vorösterlichen Fastenzeit und der früher üblichen strengen Fastendisziplin zusammen, die den Genuss von Schmalz, Fett, Milch, Butter, Käse und Eiern für mehrere Wochen verbot.
Da empfahl es sich, vor dieser radikalen Einschränkung der Speisegewohnheiten alle entsprechenden Vorräte aufzubrauchen und nochmals deftig zu essen − und das hieß: fett. Wer bei jenen Schmalzgebäcken nur an den goldgelben, mit Konfitüre gefüllten und mit Staubzucker bestreuten Berliner oder Krapfen denkt, der irrt. Wirft man einen Blick in historische Kochbücher, so findet man darin regional unterschiedliche Fettgebäcke.
Sie tragen so eigentümlich klingende Namen wie Ausgezogene und Schneeballen, Hasenöhrl, Zuckerstrauben oder Mutzenmandeln. Zur Herstellung mancher Fastnachtsgebäcke aus eher flüssigem Teig benötigte man sogar spezielle Formeisen. Angesichts dieser Fülle lässt sich sicherlich die volkskundliche Regel anwenden, die besagt, dass eine Erscheinung umso älter ist, je vielgestaltiger und formenreicher sie ist.
Von der Hausfrau über’s Knie gelegt
Da wären beispielsweise die ausgezogenen Küchle, die bis heute zur Fastnachtszeit in zahlreichen Bäckereien und Konditoreien feilgeboten werden. Mal heißen sie „Spiegelkrapfen“, mal „Fensterküchle“ oder „Knieküchle“ oder einfach nur „Ausgezogene“. Es sind flache, runde Hefeteigstücke, die früher von der Hausfrau mit der Hand übers bloße Knie gelegt und hauchdünn ausgezogen wurden.
Beim Ausbacken bildete sich dadurch ein heller durchscheinender „Spiegel“ in der Mitte, der ringsherum von einem rund drei Zentimeter hohen, braunen wulstigen Rand umgeben war. Das galt früher als hohe Backkunst, die einer Hausfrau Ehre einbrachte. Damit die Hygiene nicht zu kurz kam, riet man in alten Kochbüchern, sich zuvor eine weiße Schürze umzubinden oder ein reines Tuch übers Knie zu breiten.
Die verfeinerte Abart, die die Vorstellung der Fettgebäcke prägt, tauchte erst im 18. Jahrhundert vermehrt auf und unterschied sich beträchtlich von den rustikalen Artgenossen. Nicht nur, dass Gebäcke wie der Wiener Faschingskrapfen oder der Berliner aus feinstem Weizenmehl, Milch, Butter, Eidotter und Zucker hergestellt sowie mit Konfitüre gefüllt waren. Nein, es galt auch die Regel: je kleiner, desto feiner!
Exklusive Zutaten
Zu derlei zarten, kleinen Backwerken gehören die Rheinischen Mutzenmandeln aus süßem Mürbteig ohne Hefe, dafür mit reichlich Eiern und Zucker, Mandeln, Rum und Rosenwasser – exklusive Zutaten, die seinerzeit ihren Preis hatten. Die mit Hilfe von zwei Teelöffeln mandelförmig ausgestochenen Gebäckstücke werden in siedendem Fett goldbraun ausgebacken. Anschließend werden sie in Puderzucker oder Streuzucker gewendet.
Eine besondere Bewandtnis hat es mit den „Hasenöhrl“, die in Teilen Deutschlands, der Schweiz und Österreich zu den ganz alten Fastnachtsgebäcken zählen. In Schwaben bezeichnete man sie als „Teiglappen“ oder „Fastnachtsörl“, in Franken als „Hasenlöffel“ oder „geschnitten Hasen“. Nicht nur namentlich erinnern sie an den anatomisch hervorstechendsten Teil eines Hasen.
"Gesundmachende Frühlingshasen"
Die Küchenliteratur besagt, dass es sich um ein rautenförmiges oder dreieckiges Siedegebäck handelt, rund acht Zentimeter lang und drei Zentimeter breit, das einem Hasenlöffel nachgeformt ist und sich beim Ausbacken in heißem Fett ein wenig aufbläht. In der neueren Literatur geht man davon aus, dass es sich bei den „Hasenöhrl“ um ein sogenanntes Teig-Substitut handelt, um einen Stellvertreter aus Teig.
So nannte das „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“ das Gebäck ein „Substitut des gesundmachenden Frühlingshasen“. Im 14. Jahrhundert wurden demnach den Kindern noch richtige Hasenohren als Einschlafmittel in die Wiege gelegt. Irgendwann schuf man statt des Originals – also des blutigen Hasenohrs – ein entsprechendes Abbild aus Teig, vermutlich verbunden mit der Vorstellung, dass die gewünschte heilende Wirkung auf den, der das Gebäck genießt, übergehe.